Arbeitsgemeinschaft Judentum und Christentum in der Evangelischen Kirche Berlin – Brandenburg – schlesische Oberlausitz

Gedenken – Denken – Ge(h)Denken

9.Aw und 10.Sonntag nach Trinitatis

28./29.Juli und 12. August 2012

Am 9.Aw gedenken die Jüdischen Gemeinden weltweit der zweimaligen Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Dieser Tag ist ein Fasttag. Beginnend mit dem Vorabend bis zum Sonnenuntergang des 9.Aw dauert das Fasten. Darin ähnelt der Tag dem Jom Kippur, an dem 25 Stunden lang gefastet wird. Der Tag gehört dem trauernden Rückblick auf das Geschehen von Zerstörung und Vernichtung. Knapp 600 Jahre vor der Zeitrechnung waren es die babylonischen Truppen, im ersten Jahrhundert danach die Römer, die Jerusalem und den Tempel brandschatzten.

Trauernder Rückblick und fragendes Forschen wie konnte geschehen, wie konnte es zu dem kommen, was geschehen ist? Gedenken und Denken, das nachgehende Denken kommen zueinander und suchen und finden Denkanstöße und lassen sich anstoßen zur notwendigen Änderung.

Wer fragt und ehrlich nach Antworten und Lösungen der Fragen sucht, wird Erkenntnis finden: Deutlich sind die Antworten, die das Buch der Klagelieder Jeremia mit-lesen und damit mit-denken lässt: Vieles geht zu unseren Lasten, sagt Israel im ehrlichen Rückblick. Wir haben GOTT und Sein Wort und Willen vernachlässigt, unseren menschlichen Willen an erste Stelle gesetzt. Damit haben wir aber oft genug unseren Nächsten an letzte Stelle gesetzt. Eine Gesellschaft, die Recht und Gerechtigkeit, die ein Miteinander, die Menschlichkeit vermissen lässt, kann keinen Bestand haben. Darum: Führe uns zurück zu Dir HERR, wir wollen zurückkehren, erneuere unsere Tage wie vorzeiten. (Klagelieder 5, 21)

Ehrliches Fragen und Antworten, die nichts beschönigen, gehen Hand in Hand. (Neu)-Anfänge werden möglich, Wege geebnet…

Das Gedenken der zweimaligen Zerstörung des Tempels bestimmt den Trauer – und Fasttag. Dazu kommen die Gedanken, die zu den Hunderttausenden Ermordeten gehen. Auch sie Opfer von Haß und Verfolgung. Blut, Tränen, Trauer – die Verfolgungen, die Juden erleben, führen aus biblischer Zeit bis in unsere Tage – über Kreuzzüge und Ritualmordlegenden der vermeintlich fernen Vergangenheit geht es weiter zu Terroranschlägen unserer Tage. Vieles wird bedacht in den Stunden des Fast- und Trauertages 9.Aw.


Am 10.Sonntag nach Trinitatis blicken ebenfalls die christlichen Gemeinden zurück – und hoffentlich auch in Gegenwart und Zukunft!

Früher noch als Gedenktag der Zerstörung des Tempels überschrieben und zu oft mißbraucht als Tag der Häme gegen das jüdische Volk wird heute unter der Überschrift Israelsonntag ein neues Ge(h)-Denken gesucht und versucht. Viel, viel Böses ist zu sehen beim wachen und ehrlichen Blick auf die Geschichte von Juden und Christen: Was Juden betrauern haben Christen zu verantworten – das ist die sachlich-nüchterne Bilanz des Rückblickens. Ge(h)-denken – wenn Christen dies tun, wenn sie neu anfangen wollen in ihrem Verhältnis zu Israel, dann ist das eine große, eine wichtige, eine schöne Aufgabe und Herausforderung. Und das sind wir Christen“ gefordert, heraus zu kommen aus altem und so festgewachsenen Denkstrukturen. Viel ist schon getan und vieles wartet darauf, noch getan zu werden, wieder in Erinnerung zu kommen. Ein Blick auf unserer Berlin-Brandenburgische Landeskirche, für die wir als AG „Judentum und Christentum“ arbeiten. Es gibt Synodalbeschlüsse der Landeskirche West (1984) und Ost (1990). Wie gut und hilfreich wäre es, wenn sie neu gedruckt werden würden. Jahre sind vergangen, es ist wichtig, neu zu lesen und zu erkennen, was schon bedacht worden ist, welche Ergebnisse unser christliches Ge(h)-Denken schon finden konnte!


9.Aw und 10.Sonntag nach Trinitatis – Gedenken, Erinnern, Vergangenes und Gegenwärtiges und Zukünftiges.

In diesen Tagen finden in London die Olympischen Spiele statt.

Vor vierzig Jahren haben wir in München die Olympischen Spiele gehabt – und wir haben den Terror miterlebt. Fernsehen war Live dabei als die palästinensischen Terroristen im Olympiadorf im Quartier der israelischen Olympiamannschaft Terror wirken lassen wollten, als Terroristen mit ihren Geiseln zum Militärflughafen Fürstenfeldbruck gefahren sind, als der ganze Terror in Explosionen und Kugelhagel ein schreckliches Ende fand.

Israel bittet um eine Gedenkminute, wenn vierzig Jahre danach Olympische Spiele eröffnet werden. So will und wird das IOC die Toten nicht ehren. Bewahre, die arabischen Staaten könnten verstimmt sein!

9.Aw – Israel gedenkt, trauert, vergisst seine Ermordeten nicht.

Trauer kann verbinden, wir können in unserem Gedenken und Mit-Trauern Israel zur Seite stehen.

von: Johanna Melchior

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